Hadie Schröer
Beginn der Beatveranstaltung in der Halle Münsterland laut Plan: 20 Uhr. Auf der Bühne springen ein paar Leute herum, ansonsten ist sie leer. Die Halle ist zu drei Vierteln besetzt mit sehr jugendlichen Zuhörern, die schätzungsweise frühestens zwölfmal, spätestens achtzehnmal Geburtstag gefeiert haben.
Und dann und wann ein Erwachsener. Ziemlich verloren in dieser Ansammlung bunt und verrück gekleideter Jungen und Mädchen. Die Devise für diesen Abend scheint zu lauten: nur nicht normal aussehen, das könnte auffallen. Als besonders chic gilt es, sich nur auf englisch zu unterhalten (die Lehrer würden staunen!).
Um 20.15 Uhr bricht eine wilde Trampelei und Pfeiferei aus; auf der Bühne tut sich nichts. Die gesamt Verstärkeranlage soll, wie man hört, noch in Würzburg sein. Fünf Minuten später bitten die Vertreter der Veranstaltung um etwas Geduld, die Bands würden bald kommen. Was nach weiteren fünf Minuten als neues Ereignis gemeldet wird. Stürmischer Jubel im Saal. (Was für eine friedfertige Jugend!) Der auftretende Ansager, im knallroten Pulli, wird mit der Situation absolut nicht fertig und dementsprechend mit "Heiakopp" begrüßt.
Ab halb neun beginnt man - endlich - die einzelnen Teile der Verstärkeranlagen auf die Bühne zu tragen. Offenbar sind es freiwillige Helfer aus dem Publikum, denn sie tun es mit solcher Begeisterung...
Um 20.45 Uhr bittet man in Sprechchören um das Erscheinen der Bands; fünf Minuten später protestiert man mit Pfiffen und Trampeln. Eine Viertelstunde (!) später, als zwar etliche Dinge auf der Bühne hin- und hergeschoben worden sind, aber von einem Beginn immer noch nicht die Rede sein kann, ruft man im Chor "Schiebung!" Was den Ansager in Wut bringt, so daß er fünf Minuten später glaubt, eine Moralpredigt halten zu müssen. Er macht das so primitiv, daß er einfach ausgelacht wird.
Und dann geht's - tatsächlich! - schon los: "The Youngsters", eine Gruppe aus Münster, wird mit Hallo begrüßt. Sie spielt gut und hat viel Erfolg, vor allem ihr Mitglied Günter, der allen möglichen Klamauk macht.
Buh-Rufe und Pfiffe begleiten den Auftritt eines Paares, das Folklore "singt". Das Mädchen - wie der Junge ganz in Silber gekleidet, was beim Publikum Gelächter hervorruft - hat eine ganz schöne Stimme, aber Rondo, wie der Knabe sich nennt, krächzt mehr, als daß er singt. Begeisterung, als sie die Bühne verlassen.
Schockfarben in unmöglicher Zusammenstellung an männlichen Wesen kommen als nächste Nummer: "The Actons" aus Düsseldorf. So ausgefallen sie sich kleiden - man nimmt es ihnen nicht mehr übel, wenn sie anfangen zu spielen. Diese Band ist mit Abstand die beste des Abends. Die Zuhörer bedanken sich mit tosendem Beifall und Jubel. Zwei Mädchen beginnen hysterisch zu schreien und auf ihren Sitzen herumzutanzen. Das Publikum "spielt" mit. Offenbar betrachtet man den Abend als "große Gaudi".
"The Rags" aus Herford spielen nicht schlecht, bringen aber kaum Eigenes, obwohl sie von sich behaupten, einen neuen Sound zu bieten. Davon ist an diesem Abend jedenfalls nichts zu merken. Ungeduldig erwartet man ihren Abgang.
Zwischen den einzelnen Auftritten entstehen jeweils große Pausen, die durch den miserabel klappenden Auf- und Abbau bedingt ist. Man hat den Eindruck, daß jeder, der mal möchte, ans Mikrophon geht und "eins, zwei" bzw. "One-two-one-two" reinhaucht.
Als "The Who" angekündigt werden, bricht im hinteren Teil des Saales wilder Jubel aus. Alles springt auf die Stühle, die Polizei bildet eine Sperre quer durch den Saal. Einige Rowdys suchen Streit, aber die kleinen Krawalle breiten sich nicht aus. Die Jungen und Mädchen haben zwar aus der ferne ihren Spaß an den Rangeleien, so lange sie weit genug entfernt sind; aber ihnen ist anzusehen, daß sie sich vor einer richtigen Saalschlacht fürchten.
"The Who" können die meisten Superlative auf sich vereinen: Sie waren eindeutig die schlechteste Band des Abends, die schmutzigste und vergammelteste in bezug auf Kleidung und Aussehen, die einfallsloseste, die stupideste in bezug auf die Songs (Beatle- und Rolling-Stones-Imitationen), die lauteste und diejenige, die am meisten gefeiert wurde.
Hier verloren die vorher so kritisch blickenden Mädchen und Jungen ihre Skepsis und waren von vornherein schon begeistert; fast alles standen auf den Stühlen, und die meisten schrien und trampelten mit, so daß von den Faxen der vier Langmähnigen auf der Bühne vom normalen Sitz aus weder etwas zu sehen noch zu hören war. Außerdem war "The Who" auch noch die Band mit dem kürzesten Auftritt.